Kreatives Gestalten etc..
Die stationäre Therapie von pathologischem Spielen
Die stationäre Therapie beinhaltet im wesentlichen drei zeitlich variierende Schwerpunktphasen:
1. Behandlungsphase:
In der ersten Phase werden neben der medizinischen und psychiatrischen Diagnostik eine ausführliche Verhaltensanalyse über das Spielverhalten und die Hintergrundprobleme der PatientInnen erstellt und die langfristige Motivation geklärt. Danach wird ein Therapievertrag vereinbart, in dem u.a. für die Anfangsphase der Umgang mit Geld und Ausgangsregelungen als Fremdkontrollmaßnahmen festgelegt werden. In dieser ersten Phase werden auch die Therapieziele definiert, ferner wird ein plausibles, verhaltenstherapeutisch geleitetes Erklärungsmodell des Spielens erarbeitet (z.B. positives Verstärkermodell nach kurzfristigen Gewinnen und Fluchtmodell bei Alltagsproblemen).
2. Behandlungsphase:
In der zweiten Phase liegt der Schwerpunkt auf der Bearbeitung der Hintergrundproblematik, die bei pathologischen Glücksspielern z.B. aus Partnerschafts- und Familienschwierigkeiten, beruflichen Problemen, Depressionen, Verlust an Sinnorientierung, Unfähigkeit zu einer angemessenen Freizeitgestaltung sowie Kontakt- und Kommunikationsstörungen bestehen können. Darüber hinaus findet in der zweiten Phase ein schrittweiser Aufbau von Selbstkontrolle statt. Der Patient bzw. die Patientin erlernt z.B. eine Bewältigungsstrategie zur Distanzierung von real gegebenen oder erwarteten Versuchungssituationen und Impulsen zum Spielen.
Begleitend zur Einzeltherapie ist die Teilnahme an der Spielergruppe verpflichtend. Hier geht es zum einen um die Vermittlung von Informationen (z.B. Funktionsweisen von Geldautomaten, magisches Denken usw.). Zum anderen besteht der wesentliche Baustein in der Bearbeitung der dem Spielen zugrundeliegenden Hintergründe und Zusammenhänge. Der Einstieg in die Spielergruppe ist jederzeit möglich, was den Vorteil bietet, daß sogenannte "alte Hasen" als therapeutisches Modell für Therapieanfänger dienen. Die Gruppenteilnehmer werden durch schriftliche Informationen über das Ziel und die Gruppenregeln vorbereitet. In der Spielergruppe werden mit den einzelnen Patienten die ihrem Spielen zugrundeliegenden typischen Verhaltensmuster (Flucht vor Verantwortung, Unehrlichkeit, Selbstüberschätzung) erarbeitet. Hier ist es das Ziel, daß die Spieler zum einen das Spielen im Sinne eines verhaltenstherapeutisch geleiteten Modells verstehen und zum anderen eine zielorientierte Veränderung eingeleitet wird. Bei der intensiven Auseinander- setzung werden bei vielen Spielern neben der krisenhaften Zuspitzung in den o.g. Bereichen auch die oft nicht eingestandenen Ängste vor Einsamkeit bzw. allein gelassen zu werden, Angst vor Ablehnung, Suche nach Geborgenheit deutlich, die oft schon seit früher Kindheit durch starke Verwöhnung oder einen inkonsequenten Erziehungsstil, fehlende angemessene Modelle durch Abwesenheit des Vaters beispielsweise überkompensiert wurden. In der Gruppe ist immer wieder die ausgeprägte Fähigkeit der meisten Spieler zu bestaunen, beim jeweils anderen schonungslos die Schlichen und Tücken zu erkennen, die zum Spielen geführt haben, demgegenüber eine häufig ebenso erstaunliche Unfähigkeit, eigenes Problemverhalten angemessen wahrzunehmen. Neben der stimmigen, plausiblen Erklärung durch die Gruppe, die das in der Einzeltherapie erarbeitete Erklärungsmodell ergänzt, geht es um eine realistische Lösungsperspektive, wobei auch die Gruppe als Korrektiv für überhöhte und unrealistische Perspektiven dient.
Je nach individueller Indikation nehmen die Spieler zusätzlich an weiteren verhaltenstherapeutischen Gruppen teil (z.B. Selbstsicherheitsgruppe, Entspannungstraining, Depressionsgruppe) sowie an Gruppen der Abteilung für Rehabilitationspädagogik (Sport-, Ergo- und Soziotherapie) und der Physiotherapie. Auch der Umgang mit den oft hohen Schulden wird bei soziotherapeutischer Beratung im Sinne einer Schuldnerberatung vorbereitet bzw. unmittelbar zu klären versucht.
3. Behandlungsphase:
In der dritten Phase werden die Problemlösestrategien, die zur Bewältigung der Hintergrundproblematik erarbeitet wurden, zu stabilisieren versucht. Die Selbstkontrolle festigt sich durch ein zunehmend eigenverantwortliches Umgehen mit Situationen und Bedingungen, die früher zu unkontrolliertem Spielen geführt hatten. Es wird ausführlich über mögliche Rückfälle gesprochen, wobei neben der Analyse der konkreten Bedingungen zum Rückfall v.a. auch die Frage beantwortet wird, was der Patient bzw. die Patientin lernen muß, um Krisensituationen besser bewältigen zu können. Schließlich erfolgt die Vorbereitung auf die nachstationäre Zeit. Die Patienten sollen die Therapie in ambulantem Rahmen (ambulante Psychotherapie, Beratungsstelle, Selbsthilfegruppe) weiterführen. Hierfür wird versucht, die entsprechende Motivation aufzubauen und weiterführende Anlaufstellen zu vermitteln.
Untersuchung zum langfristigen Therapieerfolg einer stationären Verhaltenstherapie des pathologischen Glücksspielens:
Eine Katamnesestudie zum langfristigen Therapieerfolg der stationären Verhaltenstherapie des pathologischen Spielens in der Klinik Berus (Schwickerath, J., Keßler, B., H., Dinger- Broda, A., Engelhardt, W. 1996) ergab, daß 16 von 23 nachbefragten PatientInnen, die im Zeitraum der Jahre 1987 bis 1992 in unserer Klinik wegen pathologischem Spielen behan- delt worden waren, zum Zeitpunkt der Befragung 1993 eine Verbesserung angaben. Die positive Veränderung betraf sowohl das Spielverhalten als auch einzelne problematische Lebensbereiche ein bis sechs Jahre nach dem stationären Aufenthalt. Beispielsweise wa- ren bei diesen 16 PatientInnen die Häufigkeit des Spielens und die beim Spielen verbrachte Zeit im Vergleich zum Therapiezeitpunkt deutlich zurückgegangen. Auch die subjektive Belastung durch die Spielschulden und die Einschätzung der Problematk des Spielverhaltens insgesamt waren zum Katamnesezeitpunkt zurückgegangen. Weiterhin gaben 17 der 23 PatientInnen an, daß sich ihre allgemeine Lebenssituation zum Nachbefragungszeitpunkt verbessert habe. Die Einschätzung der Problematik der vorgegebenen Bereiche Partnerschaft/Familienleben, finanzielle Situation, seelisches Wohlbefinden, körperliche Gesundheit, Berufstätigkeit/Ausbildung, Ehrgeiz/ Leistungsfähigkeit, Kontakte zu anderen Menschen und Freizeitmöglichkeiten war zum Nachbefragungszeitpunkt wesentlich günstiger als zum Therapiezeitpunkt. Insgesamt konnte dies als Erfolg gewertet werden. Bei 7 PatientInnen zeigte sich keine bzw. keine wesentliche Verbesserung des Spielverhaltens und der problematischen Lebensbereiche. Die Erfolgsquote betrug damit zwei Drittel, wobei die relativ geringe Anzahl der befragten PatientInnen die Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse einschränkt.
Ansprechpartner:
Dipl.-Psych. Josef Schwickerath
Leitender Psychologe
Ergänzende Therapieangebote
Problemlösegruppe
In einer interaktionellen Problemlösegruppe soll den PatientInnen am Beispiel ihrer spezifischen und individuellen Problematik ein neues angemessenes Problemlöseverhalten vermittelt werden. Auf der Basis lerntheoretisch orientierter gruppentherapeutischer Konzepte werden die TeilnehmerInnen dazu angeleitet, ihre Probleme zu diskutieren, ihr Problemverhalten realitätsbezogen zu analysieren und alternative Problemlösestrategien bzw. Lösungsschritte zu entwickeln. Dabei wird das Interaktionsverhalten in der Gruppe für die Analyse problematischer, aber auch förderlicher und lösungsorientierter Einstellungen und Verhaltensweisen genutzt (z.B. beim Austausch gegenseitiger Rückmeldungen zum Sozialverhalten). Durch die Gruppensituation erlernen die PatientInnen am Modell des jeweils im Mittelpunkt stehenden Protagonisten lösungsorientiertes Verhalten, gleichzeitig kann die Gruppe im Rollenspiel neue Verhaltensweisen auf ihren Nutzen und die Alltagstaug- lichkeit hin überprüfen. Dieses Üben im sicheren sozialen Umfeld ermöglicht es vielen PatientInnen zum ersten Mal, ihren oft seit Jahrenreduzierten und eingeengten Verhaltensspielraum zu erweitern.