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Februar 1996
BGH - Urteil - XI ZR 6/95 - 31.10.95
Vorinstanz: OLG Celle; LG Hannover
BGB § 157, § 133, § 138 Abs. 1
Leitsatz
È1.a) Eine wunschgemäß erteilte Spielsperre begründet grundsätzlich keine Ansprüche auf Ersatz von Spielverlusten, wenn die Spielbank die Sperre
nicht durch ausreichende Kontrollen durchsetzt.
b) Eine Spielbank hat auch bei einer verhängten Spielsperre keine Schutzpflichten, die auf Wahrnehmung der
Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet sind.
2. In der bergabe von Münzgeld durch Spielbankenkassen gegen Hingabe von Euroschecks liegt
keine Kreditgewährung zu Spielzwecken.Ç
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Spielbank Erstattung erlittener
Spielverluste.
Der Kläger ist Ende der achtziger Jahre bei verschiedenen Spielbanken
insbesondere im norddeutschen Raum mit dem Wunsch vorstellig geworden,
gegen ihn eine Spielsperre zu verhängen. Dieser Bitte wurde regelmäßig entsprochen. Unter dem 16. Oktober 1988 wandte er sich in
derselben Weise an die Beklagte, die ihn am 19. Oktober 1988 vom
Spielbetrieb ausschloß, wobei sie darauf hinwies, daß in ihren
Automatenspielsälen keine Kontrolle stattfinde und er sich insoweit selbst die
nötige Zurückhaltung auferlegen müsse.
Trotz dieser Spielsperren suchte er in der Folgezeit die Automatenspielsäle dieser Spielbanken auf, kassierte kleinere Gewinne (bis zu
5.000 DM), machte mit Hilfe seiner erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten gegenüber der W. Spielbanken GmbH & Co. KG erfolgreich einen Gewinn
von rund 25.000 DM geltend, dessen Auszahlung zunächst wegen der Spielsperre verweigert worden war, und versuchte,
im Falle von Verlusten eingelöste Schecks unter Bezug auf die Spielsperre zurückzuerhalten bzw. Schadensersatz in Höhe des Verlustes zu erlangen.
Die vorliegende Klage auf Ersatz eines am 23. November 1991 im
Automatenspielsaal der Beklagten in B. erlittenen Verlustes in
Höhe von 9.200 DM, die das Landgericht abgewiesen hat, hatte vor
dem Berufungsgericht Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich
die zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des im Ergebnis zutreffenden Urteils
des Landgerichts.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der geltend gemachte Ersatzanspruch
ergebe sich aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung
eines zwischen den Parteien zustande gekommenen "Spielsperrvertrages",
durch den die Beklagte sich zu einer "Spielsperre" des Klägers verpflichtet habe: Die Beklagte habe zwar in bezug auf die
Automatenspielsäle keine generelle Kontrollpflicht, sei vorliegend aber verpflichtet
gewesen, das Spiel des Klägers zu unterbinden, weil sie von dessen Anwesenheit in diesen
Sälen hätte Kenntnis erlangen können, als dieser an der Spielkasse insgesamt 23 Euroschecks gegen
Münzen eintauschte. Diese Pflicht habe sie grob fahrlässig verletzt.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Annahme,
die Beklagte habe sich gegenüber dem Kläger durch die wunschgemäß verhängte Spielsperre verpflichtet, den Kläger - bei Vermeidung von Ersatzansprüchen im Verlustfall - vom Spielen abzuhalten, ist rechtsirrig.
Dabei kann dahinstehen, ob wegen der Divergenz in den ausgetauschten
Erklärungen - der Kläger wünschte eine lebenslange Spielsperre, die Beklagte war nur zur
Verhängung einer siebenjährigen Sperre bereit - von einer vertraglichen Einigung die Rede
sein kann. Das Berufungsgericht hat die von ihm angenommene Einigung
jedenfalls nicht interessengerecht ausgelegt.
1. Die tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - VII ZR 116/94
= WM 1995, 1545 f.; Urteil vom 5. Januar 1995 - IX ZR 101/94 =
NJW 1995, 959). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln
gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten
Auslegung (BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 aaO. und Senatsurteil
vom 26. April 1994 - XI ZR 114/93 = ZIP 1994, 857, 858, jeweils
m.w.Nachw.), durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt
zurückzuführen ist (BGH, Urteil vom 6. Juni 1979 - VIII ZR 281/78 = MDR
1980, 50 f.). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht verletzt.
2. Die Beklagte betreibt Spielbanken als privatwirtschaftliches
Unternehmen und tritt deshalb mit Vertragspartnern auf zivilrechtlicher
Grundlage in rechtliche Beziehungen. Sie unterliegt in bezug auf
den eröffneten Spielbetrieb keinem Kontrahierungszwang, ist also frei
in ihrer Entscheidung, mit wem sie Spielverträge abschließen will. Sie kann deshalb auch den Zutritt zu ihren
Spielsälen ohne Angabe von Gründen untersagen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Juli 1994 - III
ZR 137/93 = ZIP 1994, 1274, 1275 f.) und bestimmten Personen eine
Spielsperre erteilen. Diese - einseitige - Spielsperre erklärt eine Spielbank im eigenen Interesse, um Gäste, die den Spielbetrieb stören oder auch charakterlich nicht für eine Teilnahme daran geeignet sind, vom Spiel fernzuhalten und
auf diese Weise Rufschädigungen zu vermeiden. Dagegen erwachsen dem Betroffenen aus einer
Spielsperre keinerlei Rechte.
Daran ändert sich nichts dadurch, daß eine Spielbank auf Anregung oder
auf ausdrücklichen Wunsch eines potentiellen Spielers eine Spielsperre ausspricht.
In einem solchen Fall nimmt die Spielbank die Anregung, der grundsätzlich keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zukommt, zum Anlaß, eine Spielsperre zu erteilen,
die sie ohne diesen Wunsch nicht ausgesprochen hätte. Auch damit ist nicht die Begründung von Rechten für den Betroffenen verbunden. Die Spielbank macht lediglich wunschgemäß von ihrem Hausrecht Gebrauch und baut zur Motivation des Betroffenen
strafbewehrte Hürden gegen dessen Verweilen in den Spielsälen auf. Sie übernimmt keinerlei Pflicht zur Betreuung des Vermögens des Betroffenen und keinerlei Schadensersatzverpflichtung
für den Fall, daß der Betroffene sich trotz Spielsperre Zugang zu
den Spielsälen verschafft und beim Spiel Verluste erleidet, zumal es der
Spielbank freisteht, jederzeit und ohne Grund die Spielsperre
wieder aufzuheben.
Die sich danach ergebende Interessenlage verbietet somit grundsätzlich die Annahme, daß eine Spielbank durch wunschgemäßes Erteilen einer unentgeltlichen Spielsperre eine letztlich
zum Ersatz von Spielverlusten führende Verpflichtung übernimmt.
Wenn aber die Spielsperre für die Beklagte keine Pflichten begründete und sie eine solche Sperre bei Zugangskontrollen lediglich
im Eigeninteresse durchsetzt, kommt es nicht darauf an, ob im
vorliegenden Fall für Automatenspielsäle überhaupt eine Kontrollmöglichkeit bestand. Die Beklagte war auch dann, wenn sie Kenntnis
von der Anwesenheit des Klägers erlangte, nicht zum Einschreiten verpflichtet. Etwas anderes
ergibt sich nicht daraus, daß der Kläger im Laufe des 23. November 1991 an der Kasse eines Automatenspielsaals
der Beklagten nach und nach 23 Euroschecks gegen Münzen eingetauscht und diese verspielt hat. Die Beklagte konnte,
da dem Kläger eine solche Anzahl von Schecks zur Verfügung gestellt worden war, wie dessen Kreditinstitut von einer
ausreichenden Solvenz des Klägers ausgehen, so daß auch allgemeine Schutzpflichten - wie die
Revision sie annehmen will - nicht in Betracht kommen: Der Spielbank
obliegt weder die Vermögensbetreuung noch hat sie überhaupt die tatsächliche Möglichkeit, die Vermögensverhältnisse ihrer Besucher zu prüfen und zu beurteilen.
III. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen
Gründen als zutreffend dar (§ 563 ZPO).
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Kläger den Spielverlust vom 23. November 1991 zurückfordern kann, "weil die Sittenwidrigkeit der Kreditgewährung (Kreditierung einer für den Kunden bedeutsamen Summe Geldes durch Auszahlung von Schecks
zur Ermöglichung von Glücksspiel, dessen Nutznießer man selbst ist) sich auf die Spielverträge erstreckt", insoweit also ein Bereicherungsanspruch in Betracht
kommt. Daraus geht nicht eindeutig hervor, ob das Berufungsgericht
einen sittenwidrigen Kredit für gegeben hält, wie vom erkennenden Senat bei Wechseln angenommen worden ist,
denen zu Spielzwecken gewährte Kredite zugrunde lagen (Senatsurteil vom 8. Oktober 1991
- XI ZR 238/90 = ZIP 1991, 1477 f.; vgl. auch Senatsurteil vom
17. Januar 1995 - XI ZR 225/93 = NJW 1995, 1152, 1153).
Es fehlt indessen bereits an einer Kreditgewährung. Die Beklagte hat die innerhalb der Garantiegrenzen ausgestellten
Euroschecks vom Kläger angekauft und dafür wunschgemäß Bargeld in Form von zum Spielen geeigneten Münzen als Entgelt eingetauscht. Die Schecks sind dabei nicht in
einer ihre Zahlungsfunktion überschreitenden Weise als Kreditmittel eingesetzt worden.
IV. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, konnte der Senat
in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO) und die Berufung
des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen. |