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Pathologisches Glücksspiel: Klientel und Beratungs-/Behandlungsangebot

(Ergebnisse der multizentrischen deskriptiven Studie des Bundesweiten Arbeitskreises Glücksspielsucht)
P. Denzer, J. Petry, T. Baulig, U. Volker

 

Inhalt:

Einleitung
Beratungs- und Behandlungsangebot
Untersuchungsstichprobe und statistische Auswertung
Beschreibung des Gesamtklientels
Vergleich zwischen ambulanten und stationären Klienten/Patienten
Vergleich von allein glücksspielabhängigen und mehrfachabhängigen Klienten/Patienten
Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Klienten/Patienten
Vergleich von erwerbslosen und erwerbstätigen Klienten/Patienten
Literatur
Korrespondenzanschriften

Einleitung

Während des vierten Treffens des Bundesweiten Arbeitskreises Glücksspielsucht im März 1992 in Münster über "Vorstellungen der Rentenversicherer zur Finanzierung ambulanter und stationärer Therapien für süchtige Glücksspieler" wurde eine Arbeitsgruppe "Datenerfasssung und Dokumentation über pathologisches Glücksspiel" gegründet. Mitglieder der Arbeitsgruppe und Initiatoren der vorliegenden Untersuchung waren Frau Dr. R. Jahrreiss (Psychosomatische Fachklinik Münchwies), Herr P. Beck (Fachklinik Michaelshof), Herr R. Düffort (Caritas Berlin) und Herr E. Scharner (Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh). In der Folge haben 13 ambulante und stationäre Beratungs- und Behandlungszentren für Glücksspieler die im Jahre 1993 von ihnen betreuten Klienten/Patienten deskriptiv erfaßt. Die Fachklinik Michaelshof und die Psychosomatische Fachklinik Münchwies haben dabei die zentrale Untersuchungsplanung, Datensammlung und -auswertung ohne gesonderte Forschungsmittel übernommen.

Bei den beteiligten Einrichtungen handelt es sich im ambulanten Bereich um die Fachambulanz für Suchtkranke und -gefährdete des Caritasverbandes Neuss (Frau Dipl.-Soz.Päd. Christel Lenz und Herr Dipl.-Soz.Arb. Rolf Schmidt), den Evangelischen Gemeindedienst Bielefeld (Herr Dipl.-Soz.Arb. Hans-Günther Pyko), die Fachambulanz Düsseldorf (Herr Dipl.-Soz.Päd. Karl-Heinz Broich, Frau Dipl.-Psych. Corinna Czerniak-Weber), die DROBS in Lüneburg (Herr Dipl.-Psych. Ulrich Grosser, Herr Dipl.-Soz.Arb. Holger Komosz), Game Over e. V. in Mannheim (Herr Dipl.-Soz.Arb. Dirk Naubereit, Herr Rohnacker, Herr Bohnert), die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle in Saarbrücken (Frau Dipl.-Soz.Päd. Elfi Sinn-Kleber), die Beratungsstelle für Glücksspielabhängige des Diakonischen Werkes in Herford (Frau Dipl.-Päd. Ilona Füchtenschnieder) sowie die Suchtambulanz des Allgemeinen Krankenhauses Ochsenzoll (Herr Dr. Bert Kellermann, Herr Dipl.-Psych. Bruno Sievers) und im stationären Bereich um die Fachklinik Michaelshof (Frau Dipl.-Psych. Petra Denzer und Herr Dipl.-Soz.Arb. Ulrich Volker), die Psychosomatische Fachklinik Münchwies (Herr Dipl.-Psych. Dr. Jörg Petry und Herr Dipl.-Psych. Thomas Baulig), das Therapiezentrum Münzesheim (Herr Dipl.-Psych. Andreas Lindner und Frau Dipl.-Psych. Friedhilde Werling), das Fachkrankenhaus Nordfriesland (Herr Dipl.-Päd. Günter Mazur und Herr Dipl.-Soz.Päd. Michael Pagels) und das Allgemeine Krankenhaus Ochsenzoll (Herr Dr. Bert Kellermann und Herr Dipl.-Psych. Bruno Sievers).

Beratungs- und Behandlungsangebot

Die teilnehmenden ambulanten und stationären Facheinrichtungen orientieren sich in ihrem therapeutischen Angebot an einem suchttherapeutischen Behandlungskonzept, welches seit Mitte der 80er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland Verbreitung gefunden hat (Meyer, 1994) und in diesen Einrichtungen zu einem differenzierten Versorgungsangebot weiterentwickelt worden ist. Die Beratung reicht von präventiven Maßnahmenüber Informations-, Motivations- und Angehörigengruppen und die individuell indizierte Einzel- und Familienberatung bis hin zur Betreuung von Selbsthilfegruppen. In den stationären Einrichtungen erfolgt eine indikativ auf die glücksspielspezifische Symptomatik bezogene mehrmonatige Behandlung in Form einer umfassenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Dabei werden als Behandlungsgrundsätze die völlige Glücksspielabstinenz, die †bernahme der Verantwortung für alle, d.h. insbesondere finanziellen Konsequenzen der Glücksspielproblematik durch den Klienten/Patienten und der stufenweise Aufbau alternativer Befriedigungsmöglichkeiten zugrundegelegt. Das therapeutische Vorgehen ist multimodal und umfaßt neben der diagnostischen Erfassung der Glücksspielproblematik die Vereinbarung von Regelnüber die Teilnahme an der Beratung/Behandlung, insbesondere auch die Festlegung der zugrundeliegenden Glücksspielabstinenz, Methoden der Schuldenregulierung und des Geldmanagements, die einzel- und gruppentherapeutische Bearbeitung typischer glücksspielbezogener Problematiken wie Motivationsanalyse, funktionale Analyse des Spielverhaltens, Bearbeitung von kognitiven Verzerrungsmustern, Aufarbeitung lebensgeschichtlicher Grundlagen des Glücksspielverhaltens und spielerspezifischer Persönlichkeitsmerkmale sowie die Rückfallprävention und Motivation zur Nachsorge durch Selbsthilfegruppen.

Bezogen auf die stationäre Behandlung von pathologischen Glücksspielern weisen die jeweiligen Behandlungseinrichtungen aufgrund ihrer jeweiligen institutionellen Struktur neben den genannten Gemeinsamkeiten Besonderheiten auf, über die bereits in der Literatur berichtet worden ist (Mazur, 1988; Schwarz & Lindner, 1990; Kellermann & Sostmann, 1992; Russner & Jahrreiss, 1994). Für den ambulanten Bereich liegen ebenfalls Veröffentlichungen vor (Füchtenschnieder, 1994; Sinn-Kleber, 1994), die auf die speziellen Schwerpunkte des Beratungsangebotes hinweisen.

Untersuchungsstichprobe und statistische Auswertung

Erfaßt wurden Glücksspieler, die zwischen dem 01.01.1993 und 31.12.1993 Kontakt zu einem der 13 Beratungs- und Behandlungszentren aufgenommen haben. Es handelt sich dabei insgesamt um 558 Klienten/Patienten, womit es sich mit Abstand um die bisher größte Untersuchungsstichprobe von beratenen/behandelten Glücksspielern handelt. Lediglich für den Bereich der Mitglieder von Spielerselbsthilfegruppen liegt von Meyer (1989) eine ebenfalls größere Stichprobe vor. Vergleicht man diese Stichprobe mit bisher vorliegenden deutschsprachigen Veröffentlichungen zur ambulanten Beratung und Behandlung (Klepsch et al., 1987; Düffort, 1990) und zur stationären Therapie (Bachmann, 1989; Schwarz & Lindner, 1990; Schwickerath & Engelhardt, 1991; Kellermann & Sostmann, 1992; Petry, 1994), die genauere Angaben zu soziodemographischen, glücksspielspezifischen und behandlungsrelevanten Merkmalen enthalten, so fallen Unterschiede auf, welche auf die Selektivität des jeweiligen Behandlungssettings hinweisen. Neben der Verschiedenheit des ambulanten und stationären Angebotes hängt dies auch damit zusammen, daß Glücksspieler sowohl in psychiatrischen als auch in psychosomatischen und suchttherapeutischen Einrichtungen behandelt werden bzw. einige Institutionen gleichzeitig ambulante und stationäre Beratungs-/Behandlungsangebote machen (Bellaire & Caspari, 1989) oder Glücksspieler indikativ in psychosomatischen oder suchttherapeutischen Abteilungen (Russner & Jahrreiss, 1994) behandeln. Bezogen auf die ambulante Beratung bestehen Einrichtungen, die ihr glücksspielspezifisches Angebot in die bestehende suchttherapeutische Arbeit eingebettet haben (SinnKleber 1994) oder bei denen ausschließlich Glücksspieler und ihre Angehörigen beraten werden (Füchtenschnieder, 1994). Dennoch finden sich große Gemeinsamkeiten des Klientels, indem es sich vorwiegend um jüngere, männliche Geldautomatenspieler handelt, die verstärkt seit 10 Jahren eine Beratung/Behandlung aufsuchen, während sich Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes der Glücksspielproblematik und deren negativen Konsequenzen finden.

Bei der Untersuchung handelt es sich um eine beschreibende Querschnittsanalyse, in der die Teilnehmer schriftlich zu soziodemographischen, suchtspezifischen und behandlungsrelevanten Merkmalen befragt wurden. Darüber hinaus wurde das Ausmaß der bestehenden Glücksspielsymptomatik mit Hilfe eines teststatistisch konstruierten Kurzfragebogens zum Spielverhalten (KFS) untersucht. Bei der statistischen Aufarbeitung der Daten erfolgten keinerlei inferenzstatistischen Analysen, da die Untersuchung lediglich zum Ziel hatte, die Stichprobe von beratenen/behandelten Glücksspielern auf der symptomatischen Ebene zu beschreiben.

Um zu Hinweisen für weitergehende Untersuchungen zu gelangen, wurde die Gesamtstichprobe hinsichtlich ausgewählter Vergleichsvariablen aufgeteilt. Dabei handelt es sich um die Behandlungsart (ambulant versus stationär), die Mehrfachabhängigkeit (allein glücksspielabhängig versus mehrfachabhängig), das Geschlecht (männlich versus weiblich) und den Erwerbsstatus (erwerbslos versus erwerbstätig). Bei der Interpretation der Häufigkeitstabellen wurde aufgrund des großen Stichprobenumfanges eine konservative Konvention für die praktische Signifikanz bestehender Untergruppenunterschiede gewählt, indem nur Differenzen, die mindestens 10 % betragen, berücksichtigt wurden. Bei den dazu im folgenden dargestellten Ergebnissen ist zu beachten, daß sich aufgrund der durch das Rechenprogramm SPSS/PC+ vorgenommenen Rundungen auf eine Stelle nach dem Komma nicht immer eine Gesamtsumme von 100 % ergibt, sondern leichte Abweichungen vorkommen und bei einigen Fragen Mehrfachnennungen möglich waren. Bezogen auf die erfaßten soziodemographischen und suchtspezifischen Merkmale liegt eine fast 100 %ige Antwortquote vor, während bei den behandlungsrelevanten Merkmalen eine ca. 90 %ige Quote erreicht werden konnte.

Beschreibung des Gesamtklientels

Bezogen auf die Gesamtstichprobe (N = 558) läßt sich die Stichprobe von beratenen/behandelten pathologischen Glücksspielern wie folgt zusammenfassend charakterisieren:

Es handelt sich um 94,1 % männliche Klienten/Patienten (siehe Abb. 1), d.h. eine extreme †berrepräsentation von Männern im Vergleich zur Gesamtbevölkerung (siehe Stat. Jahrbuch der BRD) und in Beratung/Behandlung befindlichen Suchtpatienten allgemein (siehe EBIS und DOSY).

- hier Abb. 1 -

- hier Abb. 2 -

Der Altersschwerpunkt liegt mit 32,8 % der Stichprobe in der Kategorie vom 25. bis zum 30. Lebensjahr (siehe Abb. 2), wobei sich die übrigen Alterskategorien nach unten und oben ungefähr gleich verteilen, womit es sich im Vergleich zur Gesamtbevölkerung und zu in Beratung/Behandlung befindlichen Suchtkranken um eine deutlich jüngere Gruppe handelt. Bezogen auf die Schulbildung haben 55,9 % Hauptschulabschluß und jeweils ca. ein Fünftel Realschul- bzw. Oberschulabschluß sowie knapp 5 % einen Sonderschulabschluß. Bei der Erwerbstätigkeit liegt mit 15,7 % eine, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, erhöhte Erwerbslosigkeit vor, die jedoch noch deutlich unter der für beratene/behandelte Suchtkranke berichteten Erwerbslosenquote liegt. Hinsichtlich der Partnerbindung stellen die Alleinstehenden mit 40,2 % die größte Gruppe dar. Bezogen auf die Wohnsituation leben 65,6 % der Stichprobe in einer eigenen Wohnung und etwas mehr als ein Fünftel bei Angehörigen oder Freunden.

Bei der Art des dominierenden Glücksspiels (siehe Abb. 3) stehen die Geldspielautomaten mit 93,7 % im Vordergrund, wobei 69,9 % der Klienten/Patienten nur an Geldautomaten spielen.

- hier Abb. 3 -?

- hier Abb. 4 -

Hinsichtlich der Problemdauer weist die größte Gruppe von 40,5 % eine fünf- bis zehnjährige Problemdauer auf. 49,8 % der Stichprobe gibt eine maximale tägliche Spieldauer von drei bis acht Stunden an und bei einem Viertel der Stichprobe liegt diese Zeit über acht Stunden. Bezogen auf den höchsten Tagesverlust (siehe Abb. 4) geben jeweils ca. ein Drittel der Klienten/Patienten einen Verlust zwischen DM 100,-- bis DM 500,--, zwischen DM 500,-- bis DM 1.500,-- und über DM 1.500,-- an. Die größte Gruppe von 26,0 % der Stichprobe weist eine Verschuldung zwischen DM 10.000,-- bis DM 30.000,-- auf, wobei mehr als ein Drittel über DM 30.000,-- Schulden aufweist (siehe Abb. 5). Dabei werden ca. 75 % dieser Verschuldung vorwiegend auf die Glücksspielproblematik zurückgeführt.

- hier Abb. 5 -

Bezogen auf Selbstmordversuche berichten 15,3 % von einem Selbstmordversuch und 9,0 % von zwei bis vier Selbstmordversuchen, d.h. ca. ein Viertel der Stichprobe hat bereits einen oder mehrere Selbstmordversuche unternommen. Dabei stellen ca. 65 % einen Zusammenhang zur Glücksspielproblematik her. Hinsichtlich des Auftretens von Straftaten bejahen 12,7 % einmalige und 28,7 % mehrfache Straftaten, wobei ca. 85 % einen Zusammenhang mit der Glücksspielproblematik sehen. Bei 27,6 % der Stichprobe besteht neben dem pathologischen Glücksspiel noch eine oder mehrere weitere Abhängigkeiten, insbesondere bei 18,5 % der Gesamtstichprobe eine Alkoholabhängigkeit. 71,1 % der Stichprobe zeigen ihr problematisches Glücksspielverhalten bis unmittelbar vor Kontaktaufnahme. Bei der Erfassung der Symptomschwere des pathologischen Glücksspielverhaltens mit Hilfe des Kurzfragebogens zum Spielverhalten (KFS) zeigen die beratenen/behandelten Glücksspieler einen Mittelwert von 35,09 Wertpunkten mit einer Standardabweichung von 9,71 Wertpunkten bei einer angenäherten Normalverteilung der Rohwerte. Bei diesem Fragebogen sind Werte zwischen 0 bis 60 möglich, wobei der Wert 15, der zwei Standardabweichungen unterhalb des Mittelwertes liegt, als Cut-off-point zu betrachten ist, über dem von einer pathologischen Glücksspielproblematik auszugehen ist, während sich sowohl normale Vergleichspersonen als auch eine Vergleichsgruppe von Spielern, die kein Geld einsetzen, unterhalb dieses kritischen Wertes befinden.?

- hier Abb. 6 -

Hinsichtlich bestehender Vorbehandlungen berichten 34,2 % der Stichprobe von Selbsthilfegruppenerfahrungen, mehrheitlich (26,1%) in speziellen Spielergruppen. Bezogen auf Beratungsstellen berichten 52,6 % der Stichprobe im Vorfeld der Beratung/Behandlung von einem Kontakt zu einer Beratungsstelle. 18,8 % der Stichprobe weisen eine stationäre Vorbehandlung auf, wobei eine suchttherapeutische Vorbehandlung fast doppelt so häufig wie eine psychosomatische Therapie stattgefunden hat. Hinsichtlich der Behandlungsdauer ist nur eine getrennte Betrachtung der ambulanten Beratung und stationären Therapie sinnvoll. Dabei weisen die größte Gruppe von 41,8 % der ambulanten Klienten eine kurzfristige Beratung von 2 - 5 Kontakten auf. Bei den stationär behandelten Patienten haben die Mehrheit von 53,9 % eine mittelfristige (4monatige) Behandlung absolviert. Schließlich haben 52,8 % aller Klienten/Patienten die Beratung/Behandlung regulär beendet, während 42,9 % der Klienten/Patienten die Behandlung von sich aus abbrachen oder vorzeitig von der Einrichtung (4,3 %) entlassen worden sind. Auch hier finden sich große Unterschiede zwischen ambulanten und stationären Klienten/Patienten (siehe unten).

Zusammenfassend handelt es sich bei beratenen/behandelten pathologischen Glücksspielern typischerweise um alleinstehende junge Männer, die bereitsüber viele Jahre mit einer hohen Intensität vor allem an Geldautomaten spielen. Zu Behandlungsbeginn liegen erhebliche, vorwiegend spielbedingte Auffälligkeiten wie hohe Verschuldung, erhöhte Suizidtendenz und häufige Delinquenz vor. Bei einer beträchtlichen Teilgruppe besteht zusätzlich eine stoffgebundene Abhängigkeit. Die Mehrheit der Stichprobe weist bereits im Vorfeld eine ambulante Beratung auf.

Vergleich zwischen ambulanten und stationären Klienten/Patienten

Beim Vergleich von ambulanten (N = 356) und stationären (N = 202) Klienten/Patienten ergeben sich keine praktisch bedeutsamen Unterschiede (Differenz < 10 %) hinsichtlich Geschlecht, Alter, Schulbildung, Erwerbstätigkeit, Wohnsituation, Glücksspielart, Problemdauer, maximaler täglicher Spieldauer, Verschuldung, Abstinenzdauer und Symptomschwere.

Hinsichtlich soziodemographischer Merkmale weisen die ambulanten Klienten eine größere Partnerbindung auf, da sie häufiger (54,1 % vs 41,1 %) in einer festen Beziehung leben. Bezogen auf suchtspezifische Merkmale berichten ambulante Klienten von einem geringeren maximalen Tagesverlust, da sie häufiger (34,9 % vs 23,8 %) in der unteren Verlustkategorie zwischen DM 100,-- bis DM 500,-- liegen. Die ambulanten Klienten zeigen eine geringere Suizidtendenz, da sie häufiger (79,5 vs 66,7 %) noch keinen Selbstmordversuch unternommen haben. Sie zeigen auch eine geringere Tendenz zur Straffälligkeit, da sie häufiger (63,4 % vs 50,0 %) von keiner Straftat und seltener (23,1 % vs 38,6 %) von mehrfachen Straftaten berichten. Weiterhin liegt bei ambulanten Klienten seltener (12,6 vs 28,7 %) eine zusätzliche Alkoholabhängigkeit vor.

Bezogen auf behandlungsrelevante Merkmale besteht bei den ambulanten Klienten eine geringere Anbindung an Selbsthilfegruppen, da sie häufiger (74,4 % vs 50,5 %) keinen Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe hatten und seltener (18,6 % vs 39,5 %) eine spezielle Spielerselbsthilfegruppe besucht haben. Sie sind ebenfalls weniger an Beratungsstellen angebunden, da sie öfter (58,9 % vs 27,2 %) keinen Kontakt zu einer Beratungsstelle hatten. Die ambulanten Klienten weisen auch weniger stationäre Vorbehandlungen auf, da sie häufiger (87,9 % vs 69,1 %) noch keine stationäre Vorbehandlung, vor allem seltener eine suchttherapeutische Therapie (6,8 % vs 21,6 %), absolviert haben. Hinsichtlich der Behandlungsdauer liegen bei ambulanten Klienten am meisten kurzfristige Beratungen mit einem (17,4 %) bzw. 2 - 5 (41,8 %) Kontakten vor. Stationäre Patienten haben am häufigsten mittelfristige Behandlungen von viermonatiger (53,9 %) oder von sechsmonatiger (18,5 %) Dauer absolviert. Die ambulanten Klienten brechen häufiger (62,5 % vs 11,3 %) die Beratung von sich aus ab, während die stationären Patienten die Behandlung häufiger (78,8 % vs 36,9 %) regulär beenden.

Zusammenfassend sind die ambulanten Klienten häufiger in feste Partnerbeziehungen eingebunden. Sie weisen weniger Spielverluste, Selbstmordversuche und Straftaten auf. Weiterhin besteht bei ihnen seltener eine zusätzliche Alkoholabhängigkeit. Die ambulanten Klienten sind weniger an Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen angebunden und haben seltener eine stationäre Vorbehandlung absolviert. Die Behandlungsdauer ist bei den ambulanten Klienten eher kurzfristiger Art und endet häufiger mit einem Behandlungsabbruch. Es ergibt sich somit ein stimmiges Bild, indem die ambulanten Klienten sozial integrierter, in ihrer Suchtentwicklung weniger fortgeschritten und seltener durch eine weitere Suchtproblematik belastet sind. Sie nutzen entsprechend das bestehende Behandlungsangebot in geringem Ausmaß und zeigen eine Tendenz, die Behandlung kurzfristig abzubrechen. Dies ergibt den behandlungsindikativen Befund, daß die leichter gestörten oder noch weniger in ihrer Suchtentwicklung fortgeschrittenen Glücksspieler eher im ambulanten Behandlungsangebot betreut werden, während die schwerer gestörten und in ihrer Suchtentwicklung weiter fortgeschrittenen Patienten vorwiegend stationär behandelt werden.

Vergleich von allein glücksspielabhängigen und mehrfachabhängigen Klienten/Patienten

Beim Vergleich der allein glücksspielabhängigen Klienten/Patienten (N = 404) mit den Glücksspielern, bei denen mindestens eine weitere Abhängigkeit (Alkohol, Medikamente, Rauschdrogen, Eßstörungen) vorliegt (N = 154), ergibt sich bei den soziodemographischen Merkmalen lediglich eine praktische Signifikanz (Differenz _ 10 %). Die allein Glücksspielabhängigen zeigen eine Tendenz zu einem geringeren Lebensalter, da sie seltener (23,8 % vs 34,4 %) von 30 bis 40 Jahren alt sind, was der gesamten Ausrichtung der Altersverteilungen entspricht. Bezüglich der suchtspezifischen Merkmale geben die allein glücksspielabhängigen Klienten/Patienten häufiger (38,5 % vs 27,9 %) maximale Tagesverluste von DM 500,-- bis DM 1.500,-- an, als dies Mehrfachabhängige tun. Die allein Glücksspielabhängigen zeigen eine geringere Suizidtendenz, da sie häufiger noch keinen (80,6 % vs 59,7 %) und seltener mehrere (5,7 % vs 17,5 %) Suizidversuche unternommen haben. Sie zeigen auch eine geringere Tendenz zur Straffälligkeit, da sie häufiger keine Straftaten (61,3 vs 51,3 %) unternommen haben, als dies bei mehrfachabhängigen Klienten/Patienten der Fall ist.

Bezüglich der behandlungsrelevanten Merkmale geben allein glücksspielabhängige Klienten/-Patienten häufiger an, noch keinen Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe gehabt (68,6 % vs 58,4 %) sowie noch keine stationäre Behandlung absolviert zu haben (84,6 % vs 72,4 %). Insbesondere weisen sie seltener eine suchttherapeutische Vorbehandlung auf (8,3 % vs 21,7 %). Die reinen Glücksspieler brechen ihre Beratung/Behandlung zusätzlich häufiger (46,0 % vs 35,2 %) ab, als dies Mehrfachabhängige tun.

Zusammenfassend handelt es sich bei den reinen Glücksspielern um Klienten/Patienten, die jünger sind, eine geringere Suizidtendenz und Straffälligkeit aufweisen. Sie haben weiterhin weniger Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe und seltener eine stationäre Vorbehandlung absolviert, wobei sie die Beratung/Behandlung häufiger abbrechen. Die Mehrfachabhängigen weisen dagegen eine ausgeprägtere Suchtproblematik auf, die zu verstärkten negativen Konsequenzen geführt hat und mit einer besseren Integration in das bestehende Behandlungsangebot verbunden ist. Interpretativ scheint bei den Mehrfachabhängigen eine komplexere und gravierendere Störung vorzuliegen, so daß das bestehende, v. a. stationäre Behandlungsangebot stärker und stabiler genutzt wird.

Vergleich zwischen männlichen und weiblichen Klienten/Patienten

Beim Vergleich von männlichen (N = 524) und weiblichen (N = 33) Klienten/Patienten ergeben sich ebenfalls einige praktisch bedeutsame Unterschiede (Differenz _ 10 %). Bezogen auf das Lebensalter sind Männer in der Altersgruppe von 25 bis 30 Lebensjahren häufiger (33,8 % vs 18,2 %) und in der Altersstufe von 30 bis 40 Jahren seltener (26,1 % vs 36,4 %) vertreten. Die Tendenz zu einem jüngeren Lebensalter von beratenen/behandelten Glücksspielern im Vergleich zur Bevölkerung und anderen Suchterkrankungen ist also besonders für Männer typisch. Bezogen auf die Erwerbstätigkeit findet sich kein Geschlechtsunterschied hinsichtlich der Erwerbslosenquote, unter den männlichen Klienten/Patienten finden sich jedoch häufiger (40,4 % vs 27,3 %) Arbeiter und seltener (26,2 % vs 39,4 %)

Angestellte. Hinsichtlich der Wohnsituation zeigen die Männer eine weniger eigenständige Situation, da sie häufiger bei Angehörigen/Freunden leben (23,1 % vs 12,1 %) und seltener eine eigene Wohnung (64,1 % vs 84,8 %) aufweisen.

Bezogen auf die Art des ausgeübten Glücksspiels dominiert bei beiden Geschlechtern das Geldautomatenspiel, wobei die Männer seltener (18,3 % vs 30,3 %) Casinospiele ausüben. Die Männer weisen größere maximale Tagesverluste auf, da sie seltener von Verlusten ab DM 50,-- bis DM 100,-- (1,9 % vs 15,2 %) und häufiger über DM 1.500,-- (31,2 % vs 18,2 %) berichten. Hinsichtlich der Verschuldung weisen die Männer eine Tendenz zu einer höheren Verschuldung auf, da sie in der niedrigsten Kategorie unter DM 1.000 seltener (11,4 vs 24,2 %) vertreten sind. Männliche Klienten/Patienten weisen eine geringere Suizidtendenz auf, da sie häufiger noch keinen Selbstmordversuch (76,0 % vs 54,5 %) unternommen haben. Dagegen weisen die männlichen Stichprobenmitglieder eine größere Tendenz zu Straftaten auf, da sie seltener noch keine Straftat begangen haben (57,6 % vs 71,9 %) und häufiger bereits mehrfach straffällig geworden sind (29,4 % vs 18,8 %). Hinsichtlich des Vorliegens einer Mehrfachabhängigkeit finden sich, bezogen auf stoffgebundene Abhängigkeiten, keine praktisch signifikanten Unterschiede, wobei Männer jedoch seltener (7,4 % vs 27,3 %) eine zusätzliche Eßstörung aufweisen. Bezogen auf behandlungsbezogene Merkmale hatten die männlichen Klienten/Patienten im Vorfeld der Beratung/Behandlung seltener keinen Kontakt zu einer Beratungsstelle (46,4 % vs 60,6 %), d.h. eine stärkere Anbindung an das ambulante Versorgungssystem.

Zusammenfassend besteht eine Tendenz, daß die männlichen Klienten/Patienten jünger und eher Arbeiter sind sowie eine unselbständigere Wohnsituation aufweisen. Ihr Glücksspielverhalten hat zu gravierenderen finanziellen und strafrechtlichen Konsequenzen geführt. Die weiblichen Klienten/Patienten sind von der Tendenz her eher älter und Angestellte mit einer selbständigeren Wohnsituation. Sie spielen häufiger in Casinos und weisen eine größere Suizidtendenz sowie häufiger eine zusätzliche Eßstörung auf. Schließlich suchen sie seltener eine Beratungsstelle auf. Interpretativ scheint bei Männern und Frauen ein unterschiedliches Bedingungsgefüge vorzuliegen, wie dies von Lesieur & Blume (1991) anhand der bisher größten empirischen Untersuchung von 50 Glücksspielerinnen abgeleitet worden ist. Danach ist das Glücksspielverhalten von Frauen aufgrund ihrer spezifischen Sozialisation eher Ausdruck einer Flucht vor nicht zu bewältigenden, vor allem familiären Problematiken, wofür die erhöhte Suizidtendenz und das Vorhandensein zusätzlicher Eßstörungen spricht. Aufgrund der größeren Stigmatisierung weiblicher Suchtkranker wird gleichzeitig das bestehende Behandlungsangebot weniger häufig in Anspruch genommen. Das Glücksspielverhalten bei Männern scheint eher Ausdruck einer jugendlichen Tendenz zur Devianz zu sein, was an den gravierenderen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen der Glücksspielproblematik ablesbar ist. Aus dem damit verbundenen sozialen Konfliktpotential scheint sich dabei ein größerer Druck zur Behandlungsaufnahme zu ergeben.

Vergleich von erwerbslosen und erwerbstätigen Klienten/Patienten

Beim Vergleich von erwerbslosen Glücksspielern (N = 86) mit Klienten/Patienten, die erwerbstätig sind (N = 454/ohne Rentner), ergeben sich keine praktischen Signifikanzen (Differenz < 10 %) bezüglich Geschlecht, Alter, Schulbildung, Glücksspielart, Problemdauer, maximaler täglicher Spieldauer, Suizidtendenz, Verschuldung, Abstinenzdauer, Selbsthilfegruppen- und Beratungsstellenkontakt, stationärer Vorbehandlung und Behandlungabbruch.

Hinsichtlich der soziodemographischen Merkmale weisen die erwerbslosen Glücksspieler eine geringere Partnerbindung auf, da sie häufiger allein leben (57,0 % vs 36,8 %). Gleichzeitig besteht bei ihnen eine unselbständigere Wohnsituation, da sie seltener in einer eigenen Wohnung leben (51,8 % vs 67,8 %). Hinsichtlich der suchtspezifischen Merkmale berichten die erwerbslosen Klienten/Patienten häufiger von maximalen Tagesverlusten von DM 100,-- bis DM 500,-- (32,2 % vs 21,2 %). Bei den erwerbslosen Glücksspieler besteht eine erhöhte Straffälligkeit, da sie häufiger mehrfache Straftaten angeben (46,2 % vs 25,8 %) als dies erwerbstätige Glücksspieler tun. Weiterhin geben erwerbslose Glücksspieler häufiger eine
zusätzliche Alkoholabhängigkeit an (26,7 % vs 16,7 %).

Zusammenfassend handelt es sich bei den erwerbslosen Klienten/Patienten um Personen, die häufiger alleinstehend sind, weniger in einer eigenen Wohnung leben, verstärkt straffällig geworden sind und vermehrt eine zusätzliche Alkoholabhängigkeit aufweisen. Es ergibt sich somit das stimmige Bild einer Untergruppe von Glücksspielern, die sozial weniger integriert ist und eine stärkere Tendenz zur Devianz und psychischen Anfälligkeit aufweist. Interpretativ läßt sich jedoch anhand der vorliegenden Daten nicht entscheiden, ob es sich bei den Erwerbslosen um eine Untergruppe mit einer größeren Vorbelastung zur Entwicklung psychosozialer Auffälligkeiten handelt, oder die beschriebenen Besonderheiten Resultat eines fortschreitenden Entwicklungsprozesses sind, bei dem mehrere negative Bedingungsfaktoren sich gegenseitig verstärkt haben. Hinweise, daß die besondere psychosoziale Auffälligkeit dieser Gruppe aus einer fortgeschrittenen Glücksspielproblematik resultiert, finden sich nicht, da die Gruppe hinsichtlich der glücksspielbezogenen Merkmale keine Besonderheiten im Vergleich mit erwerbstätigen Klienten/Patienten aufweisen.

 

Literatur

Bachmann M (1989) Spielsucht: Krankheitsmodell, Therapiekonzept und stationäre Behandlungsergebnisse. Suchtgefahren 35, 56 - 64

Bellaire W, Caspari D (1989) Die Behandlung von Spielern in der Universitäts-Nervenklinik (Homburg/Saar). Praxis der klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2 (5), 15 - 18

Düffort, R (1990) Ambulante Arbeit mit Spielern. In Brakhoff J (Hrsg.): Glück-Spiel-Sucht: Beratung und Behandlung von Glücksspielern, (S. 30 - 44). Lambertus, Freiburg

Füchtenschnieder I (1994) "Du bist nicht allein". Aus der Arbeit in einer Beratungsstelle für Glücksspielabhängige. Sucht aktuell 1 (3), 18 - 21

Kellermann B, Sostmann M (1992) Pathologisches Automaten-Glücksspielen aus der Sicht einer psychiatrischen Suchttherapiestation. Hamburger Ärzteblatt 46 (5), 169 - 176

Klepsch, R, Hand I, Wlazlo Z, Kaunisto E, Friedrich B (1987) Langzeiteffekte multimodaler Verhaltenstherapie bei krankhaftem Glücksspielen I: Retrospektive Katamnese der Hamburger Pilot-Studie. Suchtgefahren 33, 137 - 147

Lesieur, H.R, Blume S.B (1991) When Lady Luck Loses: Women and Compulsive Gambling. In van den Bergh, N (Ed.): Feminist Perspectives on Addictions (pp. 181 - 197). Springer, New York

Mazur G (1988) Stationäre Behandlung von Spielern. In Harten R (Hrsg): Spielsucht: Ursachen, Fakten und Therapie (S. 12 - 19). Neuland, Hamburg

Meyer G (1989) Glücksspieler in Selbsthilfegruppen: Erste Ergebnisse einer empirischen Studie. Hamburg, Neuland

Meyer G (1994) Glücksspiel. In Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.): Jahrbuch Sucht '95 (S. 139 - 152). Geesthacht, Neuland

Petry J (1994) Die Therapie von pathologischen Glücksspielern im stationären Setting. Münchwieser Hefte 15, 21 - 28

Russner J, Jahrreiss R (1994) Stationäre Therapie pathologischen Glücksspiels. In Zielke M, Sturm J. (Hrsg.): Handbuch der stationären Verhaltenstherapie (S. 825 - 830). Weinheim, Beltz

Schwarz J, Lindner A (1990) Die stationäre Behandlung pathologischer Glücksspieler. Suchtgefahren 36, 402 - 415

Schwickerath J, Engelhardt W (1991) Stationäre Verhaltenstherapie bei Pathologischem Spielen: Modelldarstellung und Erfahrungsbericht. Verhaltenstherapie 1, 307 - 311

Sinn-Kleber E (1994) Die Beratung und Therapie von pathologischen Spielern im ambulanten Setting. Münchwieser Hefte 15, 7 - 19

 

Korrespondenzanschriften:

Dipl.-Psych. Petra Denzer
Fachklinik Michaelshof
Dannenfelser Str. 42
67292 Kirchheimbolanden

Dipl.-Psych. Dr. Jörg Petry
Psychosomatische Fachklinik Münchwies
Turmstraße 50 - 58
66540 Neunkirchen

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